Dienstag, 6. Juni 2017

45. Gutsmuths-Rennsteiglauf - Mein erster Ultra!

Ich weiß gar nicht was ich dazu sagen soll. Ich bin tatsächlich am Samstag (20.5.2017) beim Rennsteiglauf meinen ersten Ultra gelaufen. Ok beim Buga-Lauf von Havelberg nach Brandenburg habe ich es auf 55 Km geschafft, aber das hier war ein richtiger Ultra. Ein Ultralauf mit allen Höhen und Tiefen. Und dann auch noch in den Thüringer Bergen. Bis kurz vor dem Start hab ich nicht gedacht, dass ich das schaffen kann. 

Die ganze Woche wartete ich auf Absolution von Micha, dass er sich die Idee aus dem Kopf schlägt. 
Mittwoch kam er vom Toten Meer zurück. Total entspannt, das blühende Leben. Er war dort 2 Wochen, quasi im Trainingslager. Er meinte wir nehmen einfach den Schwung vom London-Marathon Ende April mit. Die Kilometer hatten wir ja drin. Er konnte in den letzten 14 Tagen täglich 11 Km laufen. Bei mir sah das etwas anders aus. Wenn ich laufen wollte, musste ich das mit den Kindern irgendwie organisieren. Leider bekam ich noch eine Erkältung und zu allem Überdruss stürzte ich Montag eine Treppe hinunter. Sollten nicht meine 2 Wochen werden. Da blieb nur noch ein wenig Spinning auf dem heimischen Fahrrad und das Trampolin. 

Für Micha waren das keine Hinderungsgründe trotzdem an dem Wochenende nach Schmiedefeld zu fahren. Besonders fit sollte ich nicht an den Start gehen. Ich sagte mir ok, vielleicht 20 Km laufen und den Rest wandern. Das sollte dann in 10-12 Stunden zu schaffen sein. Die Kinder sollten zu Opa, die Unterkunft war direkt in Schmiedefeld, der Startertausch mit Elke hat auch geklappt. Ich sollte dann nur noch im Startbereich in Eisenach die Strecke auf den Supermarathon ummelden, da Elke auf den Marathon gemeldet war. Es war also alles gut organisiert!

Am Freitag kamen wir erst spät los und fuhren noch in einem Wolkenbruch bei Leipzig. Das Wetter sollte sich etwas abkühlen. Freitag Nachmittag hatten wir in Brandenburg 29 Grad. Wer bei solchen Temperaturen läuft, ist ja lebensmüde. Gegen 22 Uhr kamen wir in Schmiedefeld an. 3:30 Uhr ging der Shuttlebus nach Eisenach. Es hatte sich wirklich gut abgekühlt. In Eisenach hatten wir an dem Morgen angenehme 8 Grad. 6 Uhr ging es los und wir (ca 2200 Läufer) machten uns auf die 73,5 Km lange Strecke. 


Ich hatte meinen Trinkrucksack bei diesem Wettkampf dabei, um notwendige Dinge mitzunehmen (Pulli, Gels und etwas Wasser). Im kurzen Shirt lief ich los. Anfangs war ich sehr aufgeregt und mir wurde am ersten Anstieg gleich sehr warm. Mir wurde schnell klar, dass die Anstiege teilweise nur gehend möglich waren. Bis zum Inselsberg ging es nur aufwärts, bis zu 1800 hm. Dort angekommen hatten wir schon gute 25 Km in den Beinen.



Erstaunlicherweise war ich an dem Punkt noch recht fit und hatte kaum Ermüdungserscheinungen. Bergab konnte ich leider nicht "fliegen", das Terrain war sehr uneben und wie ein Waldboden halt so ist. Spezielle Trekkingschuhe hatte ich nicht. Konzentration war auf der ganzen Strecke gefragt und erforderlich, um Stürze zu vermeiden. 
Nach dem Inselsberg musste ich mir etwas überziehen, in der Höhe war es doch etwas kühler. Und wenn man die Anstiege hochging kühlte man schnell aus.
Auf den Verpflegungspunkt an der Ebertswiese freute ich mich besonders. 37,5 Km hatten wir hier schon hinter uns! 


Jetzt nochmal soviel und wir sind im Ziel! Hier nahm ich mir Zeit, entfernte Steinchen und Geröll aus den Schuhen, trank den Heidelbeerschleim und warmen Tee.


Das Magnesium, was Micha mir einpackte, nutze ich jetzt auch. Kurz vor diesem Punkt lief Jörg von den Wasserfreunden aus Brandenburg zu mir auf, es war sehr angenehm ein bekanntes Gesicht zu sehen. Viele Mitläufer hatten mit sich zu tun, als sich auf ein Gespräch einzulassen. 

Jörgs Frau jubelte uns 3 Km später am nächsten Getränkepunkt zu. Das motivierte uns wieder. Er nahm die Anstiege noch recht locker und ich ließ ihn irgendwann ziehen. 
Jetzt wurde es zäh. So langsam sollte ich meine persönliche Schallmauer erreichen. 45 Kilometer. Ich lief kurzzeitig mit einem Pärchen, wir unterhielten uns eine Weile. Er läuft nur Ultras und sie Ironmans. Das war ihr erster Ultra. Unglaublich was einige Leute so machen. Es geht immer noch höher, weiter und schneller. Die Beiden zogen weiter. Dann traf ich auf Bianca. Wir waren sofort eine Wellenlänge und für viele Kilometer hatten wir dasselbe Schritttempo. Das half mir sehr und wir freuten uns gemeinsam auf die 55/ 60 und 70 Km-Marken. 


Wir schnatterten quasi die Kilometer so weg. Die Höher-Weiter-Schneller-Läufer kamen immer wieder an uns vorbei - diesmal Mutter und Tochter - für sie war der Lauf nur Training für Biel (100 Km). Bianca und ich grinsten innerlich. Uns sollte diese Erfahrung erstmal reichen. 
Dann wurde es immer ruhiger, wir beide kämpften. Wir ersehnten uns jeden Verpflegungspunkt. 
Ich entdeckte dann für mich Nutella-Schnitten, die Verpflegung wurde von Punkt zu Punkt besser und liebevoller! Jemand meinte dann, dass man an den letzten Punkten wirklich eine Tupperdose dabei haben sollte. Sehr sehr lecker und mit Herz zubereitet. An den letzten 3 Punkten gab es auch Bier.  
Irgendwann war auch Bianca davon gezogen. Ich lief nur noch irgendwie. Nicht mehr ganz rund aber immer weiter vorwärts. Kopf aus und immer weiter. Bei der 70 Km Marke ist der Knoten geplatzt. Ich machte mir Musik an und es motivierte mich dermaßen, dass ich zur Endbeschleunigung ansetzte. Es ging nur noch Bergab. Ich war im Flow. Überholte sogar wieder. Einige Leute feuerten mich noch an. Den Schmerz hatte ich total ausgeblendet. Das Ziel war nah. 



Ich freute mich auf das schönste Ziel der Welt - es endlich geschafft zu haben. Wahnsinn. 73,5 Km! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Was für eine unglaubliche Zahl. Sowas fahren einige nicht mal mit dem Rad. Nach 10:09:51 Stunden lief ich überglücklich ins Ziel. 

Die Medaille mit dem gelben Band und die Party im Festzelt waren am Ende die Belohnung! Dafür hat es sich gelohnt! Einmal Supermarathon-Held sein :-)